Jugendseminar
Vom 11.10. bis 13.10. 24 fand im Kiez Querxenland in Seifhennersdorf das Jugendseminar statt. Es freuten sich 12 Jugendliche im Alter von 14 bis 30 Jahren auf ein interessantes Wochenende. Alle sind mindestens an einem Schnittpunkt mit dem Thema Sucht sehr vertraut. Teilweise stammen sie aus suchtbelasteten Familien ober haben selbst Suchterfahrungen. Das Thema des Seminars lautete: „Selbstachtsamkeit Selbstfürsorge“. Es wurde von Ralph Müller und Matthias Sanftleben begleitet. Für den fachlichen Input war Jacqueline Klieme als Referentin eingeladen.
Am Freitag reisten die Jugendlichen am frühen Abend an. Zwei von ihnen wechselten direkt von der „Woche für Kinder aus suchtbelasteten Familien“ zum Jugendseminar.
Nach dem Abendessen saßen alle das erste Mal zur Begrüßung in der Runde. Einige kannten sich aus vergangenen Jahren. Damit es einfacher war über sich zu sprechen, nahm sich jeder aus der Mitte einen Gegenstand der zu ihm passt. Dann stellte jeder sich vor und sprach darüber, was der Gegenstand mit ihm zu tun haben könnte. Es gab im Anschluss noch einen Austausch über die Erwartungen an das Wochenende. Einem Teil der Jugendlichen war der Inhalt des Wochenendes nicht so wichtig, ein anderer Teil wollte Antworten auf Fragen und war gespannt, was sich tatsächlich hinter dem Thema verbirgt. Am Abend wollten wir ursprünglich den Film „Tulsa-ein Mädchen gibt nicht auf“ schauen. Dabei geht es um einen Vater mit mehreren Suchtproblemen am Existenzminimum und seine 9jährige Tochter. Kurzfristig entschieden sich die Jugendlichen um und wir schauten: „On for the Road“. Darin geht es um einen Bauleiter für den es zur Normalität geworden ist zu trinken. Nach einem Führerscheinentzug, wettet er, dass er keinen Alkohol mehr trinkt. Es ist ein schwerer Kampf mit einigen Rückschlägen.
Am Samstagmorgen wurde der Film ausgewertet und eifrig diskutiert. Danach ging es zum eigentlichen Thema. „Selbstachtsamkeit und Selbstwert“, was verbirgt sich eigentlich dahinter? Um gut auf sich achten zu können, ist es wichtig, stabil im Leben zu stehen und Zusammenhänge zu erkennen. Jeder Mensch ist anders und entwickelt im Laufe seiner Kindheit und Jugend seine eigene Persönlichkeit: Wer bin ich, worüber definiere ich mich, wo gehöre ich hin, was macht mich aus? Die Identität, welche die Einzigartigkeit des Menschen ausmacht, entwickelt sich ständig. Der Psychologe Hilarion Petzold beschreibt die Identität in 5 Säulen. Dieses Model konnte wunderbar dafür genutzt werden, um aufzuzeigen, was im Leben wichtig ist und warum das Leben manchmal ins Wanken gerät.
Basis ist das Fundament. Darin enthalten sind alle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Grundannahmen.
Darauf bauen sich 5 Säulen auf. Diese sind die Grundlage unserer Lebens-Balance. Es ist wichtig, die Säulen im Gleichgewicht zu halten, um gesund bleiben zu können.
Säulen:
Körper & Gesundheit
Körper, Geist und Psyche sind der Ausgangspunkt für die Identität des Menschen, denn ohne sie würden wir nicht existieren. Hier geht es um das körperliche und mentale Wohlbefinden, das durch Faktoren, wie Ernährung, Bewegung, Schlaf, Belastbarkeit, Aussehen und Sexualität beeinflusst wird. Die Stabilität der Säule wird durch körperliche und mentale Erkrankungen, Unfälle, seelische Verletzungen und andere traumatische Erlebnisse gefährdet.
Gesellschaft & Soziales: Familie, Partnerschaften, Freunde und sozialen Kontakt
Die zweite Säule umfasst alle sozialen Kontakte, die ein Mensch pflegt. Der Mensch ist ein intrinsisch soziales Wesen und ein gesundes soziales Umfeld ist überlebenswichtig. Beziehungen schenken nicht nur Halt, Zugehörigkeit und Anerkennung, sondern definieren auch einen Teil der
menschlichen Identität. Fehlt es an stabilen sozialen Kontakten, kann es psychischen Belastungen und langfristig zur Erkrankung kommen.
Beispielsweise kann einen Trennung oder der Tod eines geliebten Menschen oder ein unlösbarer Konflikt die Stabilität dieser Säule beeinträchtigen.
Materielle Sicherheit: Lebensstandard, Lohn, Status und finanzielle Absicherung
Die materielle Absicherung ist ein zentrales menschliches Bedürfnis, darunter fallen unter anderem das monatliche Einkommen, Konsumverhalten, finanzielle Rücklagen, die Wohnsituation und die persönlichen finanziellen Verpflichtungen. Kindheitserfahrungen und die Einstellung der engsten Bezugspersonen aus der Kindheit zu materieller Sicherheit können die eigene Einstellung zu dieser Säule beeinflussen.
Wer in finanzielle Nöte gerät, kann auch schnell in eine Identitätskrise geraten.
Arbeit & Leistung: Anerkennung, Erfolgserlebnisse und (berufliche) Tätigkeit
Eine sinnvolle Aufgabe zu haben und sich selbst zu verwirklichen, gehört zu den wichtigsten Bedürfnissen des Menschen. Je nach Alter und Lebensstadium kann diese Säule im Kontext von Schule, Ausbildung, Studium, Arbeit oder auch Selbstständigkeit betrachtet werden. Im Allgemeinen geht es jedoch nicht nur um die berufliche Karriere und die Vorbereitung auf diese, sondern auch um jede Art von Leistung oder Tätigkeit, die Anerkennung oder Erfüllung zur Folge hat. Hierzu zählen auch Hobbys, Vereinstätigkeiten und ehrenamtliche Arbeit.
Durch eine unerwartete Kündigung oder eine körperliche oder mentale Einschränkung, die das Ausüben einer Tätigkeit unmöglich macht, kann diese Säule ins Wanken geraten.
Werte & Sinn: Spiritualität und persönliche Lebensphilosophien
Wenn unterschiedliche Wertvorstellungen aufeinander prallen, entstehen Konflikte mit sich selbst und dem Umfeld. Unter diese Säule fallen der religiöse Glaube, Achtsamkeit, Moral, Ethik oder auch Spiritualität. Ein starkes persönliches Wertesystem gibt einem Menschen Stabilität, selbst wenn andere Säulen weniger stark ausgeprägt sind. Je nach Herkunft, Religion, Kultur, Erziehung und Glauben, können Wertvorstellungen sehr unterschiedlich sein. Es ist deshalb wichtig, schon als Jugendlicher zu reflektieren, was die eigenen wichtigen Werte sind und ob diese gelebt werden können und man sich nicht nach außen verstellen muss.
Es wurde eifrig über den Inhalt der 5 Säulen diskutiert und wie wichtig es ist, alle stabil zu halten. Anhand des entwickeln einer Alkoholsucht haben wir geschaut, was das für die 5 Säulen bedeutet und wie instabil die Lebensbalance wird. Entwickelt jemand eine Alkoholabhängigkeit, schadet er seiner Gesundheit (Säule 1), dass könnte Auswirkungen auf seine Arbeit und Leistung (Säule 4) haben. Seine Familie (Säule 2) gerät ins Wanken, da es immer wieder Diskussionen und Sorgen wegen seines Konsums gibt. Eventuell hat das Ganze auch Auswirkungen auf die Finanzielle Situation (Säule 3). Er ist eventuell nicht mehr zuverlässig und pünktlich, was ihm früher wichtig war. Das heißt, er lebt selbst nicht nach seinen eigenen Werten (Säule 5). Das Haus fällt immer mehr zusammen.
Im Anschluss bekamen alle ein Arbeitsblatt, auf welchem die 5 Säulen leer dargestellt waren. Jeder konnte nun für sich reflektieren, wie voll, bzw. stabil jede einzelne Säule ist. Wer wollte, durfte über seinen Füllstand der Säulen sprechen. Die Jugendlichen waren sich selbst gegenüber sehr kritisch und erkannten sehr gut, woran sie noch arbeiten dürfen. Sei es denn mehr Sport oder ist mein Freundeskreis der, der mir gut tut, bis hin zu wie soll es beruflich weitergehen, wird das Jugendamt eine WG für mich finden? Alle waren sich darüber einig: Ich bin für mein Leben und das was ich daraus mache verantwortlich. Selbstachtsamkeit und Selbstfürsorge.
Danach wartete eine weitere Aufgabe. Alle gingen in den Wald und suchten sich einen Baum der zu ihnen passt. Von diesem sollte ein Foto gemacht werden. Bei der anschließenden Auswertung war es sehr interessant zu sehen, wie sich die Jugendlichen mit dem Baum identifizierte. So viel z.Bsp. die Aussage: Die vielen einzelnen großen Äste, sind alles die Dinge, die ich in meinem Leben abgebrochen habe. Oder: Ich hatte erst einen anderen Baum, dann habe ich den gesehen, der umgefallen ist, aber dennoch wieder neu angewurzelt ist. Der ist wie ich. Er ist gefallen und kämpft sich wieder nach oben.
Danach wurde der Inhalt des Tages nochmal zusammengefasst. Zum Abschluss hörten wir noch eine 5 Minuten Meditation. Darin ging es darum, das wir alle sehr wertvoll und liebenswert sind, genauso wie wir sind. Nicht alle konnten sich darauf einlassen, aber starteten dennoch in einen gemütlichen Abend.
Und schon war es Sonntag. Zunächst gab es ein Geschichte von einem 50 Euroschein der zerknittert, beschmutzt und zertrampelt am Boden liegt. Es ist aber egal, er hat seinen Wert nicht verloren. 50 Euro sind 50 Euro wert. Egal wer uns wie behandelt, wir behalten unseren Wert. Es ist wichtig auf sich selbst zu achten und das zu tun, was wir wirklich selbst wollen. Nicht eine mitzurauchen oder mit zu trinken, weil man sonst befürchte kein Teil der Clique zu sein. Es ist wichtig das Jugendlich/Kinder aus suchtbelasteten Familien ihr Leben selbst in die Hand nehmen und nicht so zu handeln, wie sie meinen, es das Beste für die Familie ist, um keine neuen Probleme entstehen zu lassen. Das sie verstehen, dass sie wertvoll sind.
Und schon war es Zeit die Abschiedsrunde einzuläuten. Es war ein gelungenes Seminar und wir freuen uns auf ein Neues im nächsten Jahr.